Von Erwin mittem Schlach inner Buxe. Eine Vorbilderbuch-Empfehlung.

Es war die Zeit der Beatles, so um 1966, da wollte ich gern so sein wie Erwin Plaschke aus der Zechensiedlung „Graf Bismarck“ in Buer-Erle. Niemand aus der Gegend nannte ihn beim Vornamen. Erwin, dat war „der Plaschke“.
Sein Markenzeichen war die Pilzkopf-Frisur, exakt so wie die Beatles sie trugen – und „Schlach-Hosen“, unten weit ausgestellt. Plaschke hatte nicht nur „Schlach“ in den Buxenbeinen, sondern auch „Schlach“ bei den Mädchen. Egal, wo Plaschke auftauchte, waren auch Mädchen nicht weit.
Der Plaschke war auch Thema: „Hasse schon gehört, der Plaschke geht nich mehr mit der Uschi, der soll gezz mit der Elke zusammensein…“
Plaschke sprach nicht viel, aber, wenn er zu den Beatklängen aus der Musikbox in der Eisdiele auf den Tischen mit zwei Fingern den Schlagzeugpart perfekt nachtrommelte, waren alle begeistert. Plaschke, der war ein richtiger Typ.
So wie er wäre ich damals auch gern gewesen.
Gut, meine „Matte“ trug ich auch lang, hatte auch eine Pilzkopffrisur, die lag aber eben nicht so toffte, wie „dem Plaschke seine Matte“.
Und mit einigen Mädchen durchlebte ich ich durchaus einige heftige Verknalltheiten, aber, wenn es drauf ankam, war ich mit dem ersten Knutschversuch meist zu zögerlich und traute mich nicht. Schüchtern eben.
Der Plascheke aber – der konnte dat. Der war so etwas wie ein Vorbild für mich. Damals, aus der pubertären Sicht eines 15jährigen.

Ich hatte den Plaschke eigentlich längst vergessen, doch vor ein paar Tagen bekam ich Lust darauf, ein Buch noch einmal, zum zweiten Mal zu lesen, was bei mir eigentlich so gut wie nie vorkommt. Titel: VORBILDERBUCH
Der Titel und „Kleine Galerie der Menschlichkeit“ als Untertitel lassen vielleicht nicht spontan erahnen, wie kurzweilig, spannend, lustig – und nachdenklich machend dieses Buch ist.

Da schreiben 33 (!) Autoren aus dem Ruhrgebiet etwas über Menschen, die ihnen in ihrem Leben begegnet sind, die ihnen etwas mitgegeben haben, sei es der „Klümpken-Fielosof“ vonne Bude, oder ein Lehrer, ein Lügenbaron aus Bochum, ein Lebenskünstler, ein Kumpel, der klauende tolle Dieter aus Gelsenkirchen-Erle, oder Großtante Maria, die alle „Tammaria“ nannten….

Beim Lesen dieser vielen, absolut kurzweiligen Geschichten passierte es dann: mir kamen plötzlich Menschen in den Sinn, die ich längst vergessen habe. Menschen, die mir irgendwo in meinem Leben einen kleinen Schubs gegeben haben, Vorbilder oder Begleiter für eine bestimmte Zeit meines Lebens, ohne die ich vielleicht andere Entscheidungen für mich getroffen hätte, die Eigenschaften an mir oder Einstellungen in mir verändert haben.

Ohne dieses „Vorbilderbuch“ wäre mir Erwin Plaschke vermutlich nie mehr in den Sinn gekommen. Er war auch nur für eine kurze Episode meines Lebens so etwas wie ein Vorbild. Vielleicht eher eine Art schillerndes Idol, denn mit vorbildlichen Tugenden war Plaschke bestimmt nicht ausgestattet.

Später begegneten mir andere Menschen, die hier und da an kleinen Schräubchen, Rädchen und Weichen meines Lebens drehten, und es vielleicht bis heute gar nicht wissen, dass ich ohne sie vielleicht ganz woanders gelandet wäre. Und wer weiß, wen ich noch alles treffen werde?

Ach ja: das Buch!  🙂
Das ist so ein Leseschätzchen, das mich beim vergnüglichen Lesegenuss an manche Weggefährt/innen erinnern ließ. Empfehle ich aufrichtig gern.

VORBILDERBUCH
Kleine Galerie der Menschlichkeit
240 Seiten · gebunden · mit Lesebändchen · 9,90 €
Umschlag: Ilse Straeter
ISBN 978-3-942094-95-5
Verlag Henselowsky Boschmann
Regionaler Literaturversorger Ruhrgebiet

„Wir sind aus dem Ruhrgebiet, wir sind altmodisch, wir haben Vorbilder. Sie bedeuten uns sehr viel. Denn wer keine Vorbilder mehr nötig zu haben glaubt, der hat sich aufgegeben und ist auf dem Weg in die Barbarei. So ist dieses Buch der Vorbilder auch eine kleine Galerie der Menschlichkeit.“

 Hier mehr über das VORBILDERBUCH, und wie man es bekommt,


Das ist mir wichtig: wenn ich hier hin und wieder ein Buch beschreibe, das mir gefällt, so geschieht dieses stes ohne wirtschaftliches Interesse meinerseits, ohne Beeinflussung meiner Meinung und grundsätzlich ohne Gegenleistung, ausser vielleicht, dass die Freude der Autoren/ der Autorin/nen darüber mein ach so altes Herz erfreut. Alles klar?

Bissi Tage!

 

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3 Antworten zu Von Erwin mittem Schlach inner Buxe. Eine Vorbilderbuch-Empfehlung.

  1. Mitzi Irsaj sagt:

    Fein beschrieben hast du den Plaschke – ich kann ihm mir gut vorstellen. Vorstellen, dass mir das Vorbilderbuch gefällt kann ich mich auch. Sehr gut sogar 🙂

  2. Vermutlich gefällt mir das Buch auch sehr 😉 Danke für den Tipp!

  3. Herr Ösi sagt:

    Dieser Lo, denkt Plaschke und schlach sich auf die Stirn, ist ein richtiger Künstler… während ich nur jahrelang mit den Mädels abgehangen bin… 😉

Schreib mir! :-)