Gelsenkirchener Platt. Für auffe Ohren.

Gelsenkirchen.Von da komm ich wech.“

Genauer gesag, aus Gelsenkirchen-Erle. Aufgewachsen in einer winzigen Zweizimmerwohnung mit Kohleofen und ohne Bad, aber mit Klo auf halber Treppe, das wir uns mit den Düften von Omma Urbanski und denen der Familie Karbowski teilten.

Meine Mutter stammte aus Ostpreussen. Sie sprach – wie viele damals im Ruhrgebiet – in einem „bräiten“ Dialekt und oftmals mischten sich auch einzelne polnische Begriffe darunter, wie „Perrunje! (Donnerwetter!) oder „Moi Bosche!“ (mój Boże = Mein Gott!)

Und wenn ich mal etwas ausgefressen hatte, nannte sie mich einen „Lorbass“ (einen Schlingel). Ganz selten gab es auch schon mal was „auf die Dupa“ (den Hintern), aber niemals feste, dazu war sie viel zu gutmütig.

Viele „eingewanderte“ Wörter verschiedenster Herkunft sind hier im Ruhrgebiet immer noch in Gebrauch. „Pöhlen“ (Fussballspielen) zum Beispiel, stammt vermutlich aus dem Plattdeutschen, das „Malochen“ aus dem Jiddischen und „Mottek“ (der Hammer) aus dem Polnischen.

Die nachfolgende Alltagsdichtung GELSENKIRCHENER PLATT, deren ursprünglicher Verfasser unbekannt ist, kenne ich schon seit vielen Jahren, und sie dürfte vermutlich immer wieder umgeschrieben und bearbeitet worden sein, hat aber – besonders, wenn sie  vorgetragen wird – bis heute nichts von ihrer humorvollen Wirkung eingebüßt.

Hier zu hören:


GELSENKIRCHENER PLATT.

Lernen`se Gelsenkirchener Platt, oder könn´se dat schon?
Dann brauchen’se nur ´n paar Tage in Gelsenkirchen zu woh’n
Und wenn´se da fleißig spazieren geh’n,
könn’se dat allet bald richtich versteh’n.
Dann brauchen’se keinen Dolmetscher mehr.
Gelsenkirchener Platt is nämlich gar nich so schwer.

Pennen heißt schlafen und krampfen heißt klau’n,
Schicksen sagt man zu ledigen Frau’n.
Karo heißt Brot und Korrek die Sau.
Mattka ist eine verheiratete Frau.
Polente, dat is hier die Polizei.
Gelsenkirchener Platt lernt sich ganz nebenbei.

Maloche ist Arbeit und Pinunsen dat Geld.
Kabitschko, wenn du wat auf Raten bestellst.
Fresse sagt man zu deinem Gesicht,
und Duppa, – wenn man vom Gegenteil spricht
Die Pofe, die ist schließlich dat Bett.
Gelsenkirchener Platt ist doch wirklich ganz nett.

Karre heißt Fahrrad und Schnauze der Mund.
Toffte ist schön und Keiloff ein Hund.
Mottek ist Hammer und Zossen dat Pferd.
Pussieren ist, wenn man mit ´n Fräulein verkehrt.
Eine Kröte entsteht dann schomma aussem Verkehr!
Gelsenkirchener Platt ist doch wirklich nicht schwer.

Schucken heißt zahlen und Keif der Kredit.
Schabau, dat ist ´ne Pulle mit Sprit.
Knarre nennt man hier dat Gewehr sogar.
Krimken? Dat is ein Kriminal-Kommissar.
Der Osnik, ja dat is schließlich ´ne Uhr.
So spricht man in Gelsenkirchen und auch in Buer.

Pelle heißt Anzug und Bombe der Hut.
Treter sind Schuhe und Brass ist die Wut.
Knast heißt Gefängnis und Schwofe der Tanz.
Kossa heißt Ziege und Frannek der Franz.
Der Barras, dat is dat Militär.
Gelsenkirchener Platt ist gar nicht so schwer

Barini ist Süßwein, Halber Liter dat Bier.
Dir heißt Dich und Dich heißt Dir.
Mit Schoppen ist immer nur Fusel gemeint.
Und Kumpel, dat sacht man zu seinem Freund.
Bandonitzka nennt man dat Schifferklavier.
Hömma! Die Sprache lernt man dich spielend hier.

Lorenz ist der Mond und Hugo die Kippe.
Rotzbremse ist der Schnäuzer auf Oberlippe.
Geh mich von Schüppe! heißt: „Bitte, geh weg.“
Buch ist ein Schmöker und rotzich ist frech.
Komm bei mich!“ heißt: „Bitte, komm her.“
Gelsenkirchener Platt ist wirklich nicht schwer.

Dat Fußballspielen wird hier nur pöhlen genannt.
Flosse oder Pote, dat ist deine Hand.
Zinneck ist schließlich ein männlichet Kind
für Nase dat Wörtchen Gurke man find.
Und nimm noch ein paar Worte mehr:
Gelsenkirchener Platt ist wirklich nicht schwer

Plotteck heißt Messer und Sense die Feier
Jeikas, so nennt man in Gelsenkirchen die Eier.
Sieht man einen Mann bei ’nem Mägdelein steh’n
so sagt man: „Der ist auffe Strebe am geh’n!“

Wer all diese Worte beherrscht wie geschmiert,
der hat sich in Gelsenkirchen akklimatisiert.

😉


 

 

Tipp: wer mehr über die Ruhrgebietssprache erfahren möchte, dem sei empfohlen, einfach einmal hier zu klicken >>>Ruhrgebietssprache.de
Macht Spaß!

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18 Antworten zu Gelsenkirchener Platt. Für auffe Ohren.

  1. sweetkoffie sagt:

    Herrlich, wat fünne Sprache ?

  2. Bei mir war es die Oma – sie kam zwar nicht aus Ostpreußen, sondern aus Oberschlesien, aber die polnischen Wörter kamen da auch immer vor.
    Aber deine Stimme oder Aussprache ist ja dialektfrei – für mich jedenfalls exzellent zu verstehen.

  3. Heinrich sagt:

    Lieber Lo,
    ich staune, wieviele Ausdrücke ich kenne, obwohl ich nie Gelsenkirchener Platt auffe Ohren gekricht habe. Vermutlich haben meine Eltern (Mutter= Mecklenburg-Vorpommern – Vater ein Ur-Hannoveraner (Lindener Butjer) schon von ihren Ahnen Wörter geerbt. Mutters Eltern aus Ostpreußen und Vadder hat so einiges sicher vom Barras mitgebracht und seinem Lorbass beigebracht.
    Gruß Heinrich

    • Lo sagt:

      Lieber Heinrich, ich freue mich, dass auch Sie – wie ich – Migrationshintergrund haben: Ostpreussen, MeckPomm, Hannover-Linden. 😉
      Ich kann mit Ostpreussen (Mutter) und Thüringen (nur namentlich bekannter Erzeuger) aufwarten.
      Aber schön hier in Deutschland.
      Lieben Gruß!

  4. Gelsenkirchen – hattense da nich dat Paakstadjon?

  5. Herr Ösi sagt:

    Gelsenkirchen, denke ich immer, lieber Lo, müsste eigentlich in Österreich liegen. Die lästigen Viecher, die meist abends zuschlagen beziehungsweise zustechen, heißen bei uns so, nämlich, Gelsen.
    Infolgedessen müsste Gelsenkirchen eigentlich Mückenkirchen oder Schnakenkirchen heißen. Um eine Umbenennung zu beantragen ist es, fürchte ich, zu spät.
    Dennoch erstaunlich, wie viel ich verstanden habe…

    Polente, dat is hier die Polizei
    in Wien, da sagt man Kiberei
    Polente tut man auch verstehen
    ohne sich im Kreis zu drehen
    nun lerne ich Gelsenkirchener Platt
    dann fahr ich in die Schalke Stadt… 😉

  6. Ein rundfunkreifer Vortrag, lieber Lo, Glückwunsch!

    • Lo sagt:

      Dankeschön, liber Jules, vielleicht werd ich ja noch entdeckt.
      Aber das Wort „Rundfunk“ – das ist schön – es hat so etwas von Röhrengerät und „draußen an den Empfängern“. Ich bin mit Rundfunk aufgewachsen: Hörspiele und natürlich Heinrich Pumpernickel…
      Liebe Grüße!

  7. iGing sagt:

    Mit Vergnügen gehört! 😉

  8. quersatzein sagt:

    Einiges kannte ich und vieles ist mir neu –
    Grund genug, dass ich mich wundere und freu…
    Lieben Gruss,
    Brigitte

  9. Viele Begriffe sind mir immer noch bekannt und auch im täglichen Sprachgebrauch, eine schöne Erinnerung, woher sie stammen. Meine Grosseltern und meine Mutter kommen aus Ostpreussen
    und haben sich im Ruhrgebiet nieder gelassen. Die Sprache lebt zum Teil weiter. Herzliche Grüsse

  10. Lo sagt:

    Ach, wie schön, liebe Petra: Ostpreussen und Ruhrgebiet – das passt,
    auch, wenn es zum Anfang sicher „geklemmt“ haben wird.
    Liebe Grüße!

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