Von Bratkartoffelduft und einem roten Kinderroller.

Ich brauch keine Duftkerzen.
Ich habe Bratkartoffeln.


Ist es nicht so? Es gibt Düfte oder Gerüche, die uns ein Leben lang begleiten. Und sie sind ja auch ein ganz starker Erinnerungsträger. Gerade jetzt in der Winterzeit bemerken wir es ganz stark. Eine kleine Prise vom Lebkuchen, Glühwein oder vom Tannenzweig in der Nase, und schon sind Erinnerungen da, die bis weit in die Kindheit reichen.

Als kleiner Knirps stand ich in Gelsenkirchen-Erle unzählige Male vor dem Schaufenster des Fahrradhändlers Tertel, in dem mein allergrößter Traum, ein roter Ballonroller mit Klingel und bunten Wimpeln zu bestaunen war. DM 37,50 kostete er. Ein Vermögen. Meine Mutter lebte mit mir von der Fürsorgeunterstüzung, die hinten und vorne nicht ausreichte. Und selbst nicht mit dem, was meine Mutter sich mit Putzen dazuverdiente. Ich weiß heute nicht mehr, wie oft ich dieses Fahrradgeschäft schüchtern betrat, um meinem Rollertraum ganz nahe zu sein. Dort standen viele nagelneue, blitzeblanke Fahrräder nebeneinander aufgereiht – und es roch dort wunderschön. Nach Reifen, Fahrrädern – nach Fahrradgeschäft. Nach meinem Rollertraum, der sich nie erfüllte.

Vor wenigen Tagen führte mich der Weg zwecks heimlicher Christkindbestellung in ein Fahrradgeschäft in Bottrop. Ich öffnete die Ladentüre – und da war er wieder, dieser Geruch aus meiner Kindheit. Und schon hatte ich meinen roten Ballonroller im Sinn. Ich stellte mich für einen Moment etwas abseits hin, schloss meine Augen, um nur den Duft und meine Kindheitserinnerung für einen Augenblick für mich allein zu haben.
Ein schöner Moment…

Allen ebensolche schönen Momente!


Foto von Matthias Böckel auf Pixabay
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20 Antworten zu Von Bratkartoffelduft und einem roten Kinderroller.

  1. Olfaktorisch geht der Rollertraum so doch immer wieder in Erfüllung, wenn er so wunderbar ins Gedächtnis gerufen wird. Der Duft von Bratkartoffeln ruft auch bei mir ein ganz angenehm heimeliges Gefühl hervor, das ich nicht missen möchte.
    Auf dass unsere Nasen noch lange gut riechen mögen 🙂

  2. Wie du sehr schön vermittelst, ist es nicht notwendigerweise ein besonders schöner Duft, der unsere Erinnerungen anregt. Er muss nur positiv verknüpft sein. Für meine Frau ist es z. B. der Geruch von Benzin, der ihr Kindheitserinnerungen vergegenwärtigt. Bei mir ist es der Rauch eines Torffeuers.

  3. LP sagt:

    Es gibt Blogbeiträge, die kann man regelrecht riechen, wenn man sie gelesen hat, die Augen schließt und einatmet.
    Diesen hier zum Beispiel.
    Danke dafür.

  4. Tütchen Flickzeuchs schnüffeln ist auch tofte.

  5. Grinsekatz sagt:

    Vielleicht so ein neumodischer Elektro-Roller?
    Liebe Grüße 👋

  6. Don Pipo sagt:

    Ach rülpsen Sie nochmal, mein Herr. Es roch so schön nach Bratensoße.

  7. Quer sagt:

    In Kindheits-Gerüchen schwelgen finde ich etwas vom Schönsten.
    Und gerade die unerfüllten Wünsche und die ungestillten Sehnsüchte machen den Reiz des Wunderbaren doch aus… :–)
    Einen lieben Heutegruss,
    Brigitte

  8. ach, ist das schön. ja, gerüche können viel erinnerung wecken, das kenne ich auch gut. (ich hatte übrigens einen roten roller.) 🙂 sehr schön geschrieben. lg, diana

  9. C. Araxe sagt:

    Manche der schönen Gerüche aus der Kindheit mögen seltener vorkommen, aber es gibt sie immerhin noch. Manche sind für immer verschwunden. So erinnere ich mich noch sehr genau als Zonenkind, dass Westpakete immer einen signifikanten Geruch hatten. Ich habe nie wirklich herausgefunden, was diesen evozierte. Kurzzeitig dachte ich, dass es an der Verpackung, am Klebeband oder so liegen könnte. Aber dann wäre der Geruch eigentlich auch nach der Wiedervereinigung noch vorhanden gewesen. Oder ich habe mich einfach sehr schnell daran gewöhnt, dass dann alle Pakete so riechen.
    Die unschönen Gerüche kann ich mir indes auch nicht mehr wirklich vorstellen. Wie es riecht, wenn mit Braunkohle geheizt wird oder Trabbis und Co. mit ihren Abgasen riechen.

  10. luzieke sagt:

    So ein Bild zu posten ist auch schon ein bisschen gemein.

  11. Gerüche, heißt es, machen nicht den Umweg über das Großhirn wie Sehen oder Hören, sondern fahren unmittelbar in die Gefühle. Und das in Verbindung mit der Zeit, in der man noch aus dem Gefühl heraus lebte, der Kindheit: das sind die starken Eindrücke, die zeitlebens nicht mehr verlorengehen. An die man sich zurücksehnt oder vor denen selbst noch ein Baum von einem Mann Angst hat – kommt ganz auf die als Kind gemachten Erfahrungen an. Wünschen wir den Kindern der Welt schöne Ersteindrücke, die bleiben.

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