TATORT: Wenn Willi Wuttke wütend wird. Das Original-Drehbuch.

In meiner Jugendblüte-Maienzeit konnte mir kein Rock-Konzert und keine Discothek laut genug sein. Vielleicht ist das auch der Grund dafür, dass ich heute nicht mehr besonders gut höre. Oftmals verstehe ich auch etwas falsch – manchmal zum Vergnügen meiner Enkel, aber häufiger doch zum Verdruss meiner Familie, wenn ich wiederholt nachfrage, was da gerade wohl gesagt wurde. Ja – und ich besitze auch Hörgeräte, die ich gern schone, indem ich sie meist in der Schublade belasse, weil ich der (zugegeben subjektiven) Ansicht bin, eigentlich noch gut genug zu hören.

Und obwohl ich zum Fernsehen „gute“ Kopfhörer trage, stelle ich fest, dass ich Filmen nicht immer folgen kann, weil die Dialoge von lauter Begleitmusik derat stark übertönt werden – oder beides, Sprache und Musik zu einem Geräuschbrei vermischt sind, dass ich nur ahnen kann, was da gesprochen wurde. Darüber klagen auch unzählige Menschen, die allerbestens hören können. Man kann auch nachlesen, dass zum Einen der Ton die ganz große Schwachstelle der heutigen Flachbild-Fernseher ist – und dass Filme heutzutage mit viel mehr Musik, Action- und Geräusch-Effekten produziert werden, als es früher der Fall war.

Ich finde es ehrlich gesagt unmöglich, dass man Fernseher verkauft, die schon ab Werk mit einem erheblichen Mangel behaftet sind, der nur damit beseitigt werden kann, indem man sich für viel Geld auch noch zusätzliche Lautsprecher (neudeutsch Soundbars ) anschaffen muss, damit man den Filmhandlungen auch akkustisch folgen kann.

Und weil ich mich nicht alleine ärgern möchte, habe ich bei meinem Protagonisten WILLI WUTTKE aussem Ruhrgebiet einfach mal „in ihm sein Wohnzimmer“ geschaut und aufgeschrieben, wie wie der das so erlebt. Und wie er Rache nimmt…


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D R E H B U C H

WENN WILLI WUTTKE WÜTEND WIRD

ORT: Irgendwo im Ruhrgebiet
SZENE: Innen – Wohnzimmer – Gelsenkirchener Barock – Sonntagabend 20:23 Uhr
TV läuft – Tagesschau- Wetter – Minuten vor dem TATORT

PERSONEN:

WILLI WUTTKE, Rentner, Bauch, weißes Haar, Brille, Trainingsanzug, karierte Filzpantoffeln,

ELSE – seine Ehefrau, gutmütige, freundliche Erscheinung, etwas mollig, Kittelschürze

SZENE:

WILLI kommt mit der Zeitung vom Klo, schlurft zum Sofa, greift nach der Fernbedienung, hält sie fest, lässt sich plumpsend aufs Sofa fallen.

WILLI (sieht den Rest der Wettervorhersage)
„So ein Scheiß! Für morgen is immer noch Regen angesacht.
Gut, datt ich nich mehr anne Schüppe muss.
Else! Bisse inne Küche? Denxe an dat Bier?“

TATORT – Vorspann – Musik

ELSE – kommt aus der Küche, eine geöffnete Bierflasche in der Hand

ELSE
„Hasse kein Glas? Kärl, datt Du immer ausse Pulle trinken muss!
Leg wenichstens ne Zeitung drunter, damit der Tisch keine Flecken kricht!
Samma: mit wem is dat heute?“

WILLI
„Aus Dortmund, mit dem Bekloppten mittem Parka – aber irgendwie is der toffte.
Schade, datt die eine Blonde nich mehr dabei is.
Hamse ja sterben lassen…“

Tatort beginnt – ein Mann liegt tot am Boden einer stillgelegten Industriehalle.
Musik – Autogeräusch – Bremsen – noch mehr Musik – Autotüren schlagen zu – Musik

Willi und Else schauen auf die Flimmerkiste, aus der sich laute, schneller werdende Musik mit den Dialogen des Kommisars und der Spurensicherung zu einem Einheitsbrei vermischt.

TV – TON:
MUSIK – dramatisch ansteigend – „Weiss m.. sch ws Genau….“ – MUSIK –
„Wie lange?“ – MUSIK –
SSt nch de Ob..“ – MUSIK –
„dukt.. MUSIK – „on!“ – MUSIK- ,,um wen es“ – MUSIK – „handelt!?

MUSIK – „.. Papiere! – PAUKENSCHLÄGE –

WILLI
„Samma Else: wat hat der gesacht?“

ELSE
„Opper keine Papiere hatte, der da tot is, glaub ich.
Mach doch ma lauter, dann versteht man dat vielleicht besser!“

Willi drückt die Fernbedienung.

ELSE
„Maaaann, donnich soo laut!
Mach ma wat leiser, da wirsse ja rammdösich!
Willze die ganze Straße aufwecken?“

WILLI
„Nee, aber ich will verstehen, wat die da sagen!
Is doch Scheiße, die mit ihrer bekloppten Musik dabei!
Mach ich et lauter, ist das Geplärre auch lauter,
mach ich et leiser, versteh ich nix, wat die sagen!
Is doch wat für´n Arsch!
Und dat is doch kein billigen Apparat, den wir gekauft haben!“

ELSE
„DU hast den doch ausgesucht, der konnte Dir ja nich groß genuch sein!“

WILLI
„Komm, Else – hör auf, dat bring doch nix.
Gezz sei ma ruhich!“

Kurze Pause, Willi trink sein Bier aus der Flasche.

WILLI
„Hömma: hast Du gezz verstanden, wat die zu dem gesacht hat?“

ELSE
„Nee, die Musik is einfach zu laut – und die sind am Nuscheln!“

WILLI
„Boah, ich wird bekloppt! Wenn ich Musik hören will, dann mach ich mir dat Radio an. Für sowatt brauch ich keinen teuren Fernseher – verdammte Scheiße!“
Gezz is auch noch mein Bier alle!
Komm – bleib sitzen, Else, ich hol mir ne Neue ausse Küche,
hab sowieso nix vonne Handlung mitgekricht!
Und für sowatt zahlste auch noch Gebühren!
Die haben doch alle ein Ei am wandern!“

(Geht fest auftretend in die Küche. Wütend.)

Else sitzt und hält sich eine Hand hinter das Ohr, um besser den Film hören zu können.

WILLI (kommt aus der Küche mit eine Bierflasche)
„Und? Is irgend watt Neuet passiert?“

ELSE
„Ja, da kam son schwatter Wagen mit zwei Kerle umme Ecke,
die haben mit irgendeinem telefoniert, aber, genau weiss ich dat nich,
watt die gesacht haben.
Mitte ganze Musik dabei hab ich dat nich richtich verstanden,
irgendwatt damit, datt der Tote wat bei sich haben könnte,
wat nich gut für die Gängster ist, wenn die Polizei dat findet.
Aber watt dat sein soll, konnt ich nich hör´n.!“

WILLI
„Weisse wat, Else? Mach die Scheißkiste aus, dat is doch allet Kokolores!
Da gibbse viel Geld für so´n Trümmerhaufen von Flach-Fernseher aus,
dann kassieren se auch noch Gebühren für sonnen Film-Schrott,
dene nich verstehss, weil se zu doof sind, dat so hinzukriegen,
datte auch mitkriss, watta gequatscht wird!
Die haben doch als Blagen früher zu nah anne Mauer geschaukelt!
Am liebsten würd ich die Kiste umtauschen, weisste dat?
Und weisse, wat das Schlimmste is?
Die verkaufen gezz sogar so Extra-Lautsprechen für Fernseher!
Früher waren in jedem Apparat auch vernünftige Lautsprecher drin.
Nee Du! Ich hab die ganze neumodische Scheiße so gefressen!
Ich hol die Axt und klopp dat Scheißdingen kaputt!
Und dann fahr ich nache GEZ, und mach aus der Gebührenbude ´ne Achterbahn!!
Dat wär´mal ein richtigen TATORT!
Aber mit sowatt von Musik!
Kannze glauben! Verdelli nommal!!!

ELSE
„Willi – gezz beruhich Dich doch mal!!“

WILLI
„Weisse wat, Else?
Ich brauch erst mal ´nen Kurzen – und weisse wat ich dann mach?
Dann leech ich mich inne Furzkapsel und penn´!
Und morgen tausch ich die Scheißkiste um.
Rache is Blutwurst!
So! Fettich!“

Nimmt nen Schluck aus seiner Bierflasche, stellt sie auf den Tisch – neben die Zeitung, was Else sieht und mit einem vorwurfsvollen Blick quittiert, wischt sich mit dem Handrücken den Schaum vom Mund, streift die nasse Hand an seinem Hemd ab, unterdrückt ein Bäuerchen, weil Else immer noch vor ihm steht, dreht sich um und geht ins Schlafzimmer.

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THE END


Hollywood kann kommen.

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10 Antworten zu TATORT: Wenn Willi Wuttke wütend wird. Das Original-Drehbuch.

  1. Mitzi Irsaj sagt:

    Hörgeräte, die ich gern schone, indem ich sie in der Schublade belasse, weil ich der (zugegeben subjektiven) Ansicht bin, eigentlich noch gut genug zu hören….das scheint ein Phänomen zu sein, dass alle trifft, die nicht mehr gut hören. Wenn ich nach meiner Mutter komme, dann auch mich.

    Ansonsten…herrlich etwas umgesetzt, was unglaublich nervt. Egal wie gut man hört.

  2. eimaeckel sagt:

    Ein Theaterstück! Das wird ja immer besser bei dir. Tatort guck ich nur noch mit Untertiteln. 😀

  3. Nimmt man statt WILLI WUTTKE aber den Martin Wuttke heran, z:B. als KHK Keppler oder in „Bonn“ als Nachkriegsnazi Gehlen gegen BND John, merkt man, wer sprechen kann, spricht auch aus einer Glotze fast ohne Lautsprecher. Selbst wenn er aus dem Bild geht, spricht er deutlicher als die Schätzekes, die sie auf der Straße entdeckt haben fürs Forsthotel- Gestüt Dr. Faltenbügler mit Alpenblick.
    https://www1.wdr.de/fernsehen/fernsehfilm/bonn-alte-freunde-neue-feinde-132.html

  4. Ich unterstreiche jeden Satz fett. Außer den mit den Hörgeräten in der Schublade, ich trage meine, verstehe aber trotzdem nichts, weil die Nebengeräusche zu laut und die Lautsprecher am fernseher nicht sichtbar sind. Vermutlich tönen die hinten und ich sollte mir besser dort einen Sessel hinstellen. Das ich dann keine Bilder sehe … geschenkt. 😉

    • Ich denke, du hast Bluetoothfähige Hörgeräte – bei den meisten Herstellern gibt es zu den Geräten eine Box, die man an den Fernseher anschließen kann. Kostenpunkt zwischen 150,00 und 200,00 €. Man kann sie mit dem Fernseher so verbinden, dass nur ICH allein was in meinen Hörgeräten höre – das ist ziemlich exzellent. Will noch ein anderer mithören, muss man den Lautsprecheranschluss wählen – aber mich stört dann immer das Gequatsche vom Fernseher. – Inzwischen höre ich ja so schlecht, dass ich auch damit nicht mehr alles verstehe – deswegen kann ich keine spannenden Filme gucken, wo es ganz genau auf den Ton ankommt.
      Auf diese Weise sind die Nebengeräusche ausgeklinkt, aber Musik im Fernseher zählt leider nicht als Nebengeräusch.

  5. Ein bisschen kann ich die Stimme / den Ton über das interne Menü im Fernseher verbessern, aber so viel bringt das nicht.

  6. Herr Ösi sagt:

    Bei mir kommt zu all den Hörproblemen noch dazu, dass ich die neuen Tatorte auch ohne Hörprobleme nicht verstehen würde, weil ich zu blöd bin, einfachste Handlungen zu durchschauen, die man durch schnelle Schnitte, Rückblenden und Rückblenden von der Rückblende so verkompliziert, dass selbst ein Master of Disaster nicht ausreichen würde, Licht ins Dunkel zu bringen. So hoffe ich, während ich das Gerät vorzeitig ausschalte, dass man den Täter am Ende der Sendung wenigstens überführt…

Schreib mir! :-)