Bücherschrankgeschichten.

Seit Herbst 2016 wurden im Rahmen von Veranstaltungen an den Mercator Bücherschränken Texte aus zehn Ruhrgebietsstädten gesammelt, die nun in einem Buch veröffentlicht wurden.

Gestern war es dann soweit: in der Heldenbar des Essener Grillo-Theaters lasen (nach einer Ansprache durch Christine Bargstedt von der Projektschneiderei) der Sänger und Liedermacher Tom Liwa und die Entertainerin/Kabarettistin/Komikerin „Fräulein Nina“ (Nina Mühlmann) mit Spaß und sehr gekonnt Auszüge daraus und feierten mit den beteiligten AutorInnen den Projekt-Abschluss.

Bücherschrankbuch

Bücherschrankgeschichten 1
Ich freue mich, und ich bin auch ´n bissken stolz, dass auch ein Text von mir darin aufgenommen und dieser gleich zu Beginn der Veranstaltung verlesen wurde.

Er handelt vom Verfall einer uralten, einst und auch heute noch sehr bekannten Kneipe  in Gelsenkirchen-Buer gegenüber des Rathauses, die aufgrund ihres kleinen runden Gebäudes und einem Zipfeldach „KÄSEGLOCKE“ genannt wurde und wirklich Geschichte(n) geschrieben hat. Der Bau verfällt zusehends und viele Versuche, dieses wahrhaftige Buersche Kneipendenkmal zu retten, sind leider gescheitert.


Käseglocke Buer Lothar Lange 1

Das Sterben der Käseglocke zu Buer

Wenn ich in Buer am Rathaus hocke,
was seh´ ich da? Die Käseglocke.
Dort, wo einmal die Bierchen flossen,
ist alles dicht und abgeschlossen.
Die Fenster blind, die Tür verrammelt,
der ganze Bau total vergammelt.

Dein altes rundes Zipfeldach
ist auch schon weg – nun ist es flach.
Dein Anblick macht mich richtig bitter,
denn einst floss mancher Hektoliter
durch Tausende von Buerschen Kehlen.
Ach Käseglocke, Du wirst fehlen…

Ob reicher Kerl, ob arme Socke,
man traf sich in der Käseglocke.
Wie viel Romanzen hier entstanden,
wenn Zwei sich an der Theke fanden,
für eine Nacht, oder für immer.

Manch Zecher, manches Frauenzimmer
hat hier bei Dir nach vielen Runden
sein Geld verlor´n – vielleicht Glück gefunden?

Auch aus dem Rathaus gegenüber
saß mancher hier und war hinüber.
Hier spülten auch Beamtenseelen
den Aktenstaub aus ihren Kehlen.

So mancher biergefüllter Bauch
entleerte diesen bei Dir auch,
wenn es zu viel der Biere waren
oder vom Korn, dem guten Klaren.

Rauchgeschwängert, Deine Wände,
füllten sie sicher dicke Bände
mit Liebes-, Freud-, und Leidgeschichten,
so viele könnt´ kein Dichter dichten!

Vom Prahlhans, der hier mächtig prahlte,
und dann den Deckel nicht bezahlte,
und von der Schalker Fußballbraut,
die draußen ihren Kerl verhaut.

Und wie oft hat so mancher Gast
am Schluss die Linie 1 verpasst,
die um die Käseglocke rollte
und ihn nach Hause bringen sollte?

Ach, Käseglocke, altes Haus,
wirklich erbärmlich siehst Du aus,
wie etwas, was man nicht mehr braucht,
Dein Leben scheint nun ausgehaucht,

Dein Schicksal kennen die Gestirne.
Ganz sicher wird´s die Abrissbirne.

Arme Socke, Käseglocke!

Lothar Lange


Ab Mai ist das Buch in den Bücherschränken verfügbar. „Bücherschrank-Geschichten“ wird gefördert durch die Stiftung Mercator und realisiert durch das Netzwerk Mercator Bücherschränke in Zusammenarbeit mit lokalen Partnern, u.a. dem Schauspiel Essen.

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13 Antworten zu Bücherschrankgeschichten.

  1. Lieber Lo!
    Ich freue mich für Sie, dass Ihre bravourös gedichtete Käseglocke bei der Veranstaltung verlesen wurde. Diese Ehren haben Sie sich wahrlich verdient. Toll, dass es solch schöne Texte wie die Ihren und die Bücherschrank-Geschichten gibt.
    Herzliche Grüße 🙂
    Mallybeau

  2. Annette sagt:

    Herzlichen Glückwunsch! 🙂

  3. diana sagt:

    gratulation – sehr schön! 🙂

  4. Darauf ein Bier & einen Korn!

  5. Mitzi Irsaj sagt:

    Da kann und sollte man ruhig stolz sein. ?

  6. quersatzein sagt:

    Gratulation, lieber Lo! Schon die Idee der Herausgeber, Bücherschrankgeschichten zu sammeln und zu drucken finde ich toll!
    Dann ein Hoch auf das Leben der Bücherschränke und der Geschichten darin!
    Liebe Grüsse,
    Brigitte

    • Lo sagt:

      Merci vielmol!
      Es ist auch schön, zu erfahren, wie viel schriftstellerisches Potential in Menschen steckt, die nicht in der Öffentlichkeit stehen, aber immer schon „für sich“ geschrieben haben, und durch Bücherschrankgeschichten, aber auch andere Schreibaufrufe eine Bühne für ihre Wortschätze finden.
      Liebe Grüße in die Schweiz!
      Lo

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