Ruhrbesetzung 1923 – Geschichte mit Geschichten „vonne Ruhr“.

Geschichte war in meiner Schulzeit so gar nicht mein Ding.
Das Wenige, was mir in diesem Fach in acht Volksschuljahren zu vermitteln versucht wurde, ist nicht haften geblieben. Dröge Zahlen konnte ich mir ohnehin nie gut merken. Als ich viele Jahre später eine zeitlang die Abendrealschule besuchte, traf ich dort auf einen Lehrer, der uns Geschichte derart spannend und lebendig näherbrachte, dass wir uns sogar schon auf seinen nächsten Unterricht freuten und so die Erkenntnis gewannen, dass dieses Schulfach durchaus spannend sein kann.
Erst recht, wenn es um Ereignisse geht, die einmal dort stattfanden, wo man selbst aufgewachsen ist.
Sozusagen: gleich „umme Ecke“.
So, wie dieses große Stück Geschichte, das sich hier bei uns im Ruhrgebiet vor genau 100 Jahren zugetragen hat, als ab Januar 1923 rund 60.000 – und später bis 100.000 französische und belgische Soldaten große Teile des Ruhrgebietes besetzten, um sich die hiesige Kohle- und Koksproduktion zur Erfüllung der Reparationsverpflichtung aus dem Versailler Vertrag zu sichern.

Werner Boschmann („Bücher vonne Ruhr“) schreibt über den von „oben“ verordneten passiven Widerstand der Ruhrgebietsbevölkerung, über Streiks, Anschläge, Dienstverweigerung der Reichsbahn, tödliche Übergriffe und die drohende Hungersnot im Ruhrgebiet. Mit Beschreibungen aus französischer und aus deutscher Sicht und ganz besonders von den behaltenswerten Geschichten der „kleinen Leute“, wie der des Eisenbahners Fritz von der Höh, der auf seiner Lokomotive zwischen Schalke und Horst-Emscher an der Kanalbrücke durch Schüsse der französischen Soldaten zu Tode kam, des Polizisten Johann Przybilla, des mutigen Hausmeisters Liesenfeld oder der seines Großvaters Theodor Martin, oder der des Gladbecker Oberbürgermeisters, der im Bett verhaftet wurde. Aber auch über die französische Besetzung von Stiepel, der „Dortmunder Bartholomäus-Nacht“ und den „Essener Blutsamstag“.

Die Geschichte des „Dattelner Abendmahls“ hat mich beim Lesen berührt, und mich spontan an Heiligabend 1914 erinnert, als sich deutsche, britische und französische Soldaten in Schützengräben gegenüberliegend für wenige Stunden Weihnachtsfrieden verbrüderten.

Kurzum, dieses „Geschichts-Buch“ ist alles andere, als dröge, weil hier der großen Geschichte auch die aufgezeichneten realen Erlebnisse der kleinen und namentlich benannten Leute beigefügt sind.

Mit Berichten, Protokollen und Erkundungen; mit Beschreibungen über Menschen und Zustände. Aus französischer und aus deutscher Sicht. Durch farbige Ansichtskarten von Altenessen bis Zweckel, die 1923 den Postweg durchlaufen haben.

Neuerscheinung
Ruhrbesetzung 1923
Ein Jahr spricht für sich
herausgegeben von Werner Boschmann

208 Seiten | geb. | Leseband Schutzumschlag
Mit 56 Abbildungen von Ansichtskarten Altenessen bis Zweckel
ISBN 978-3-948566-18-0

19,80 €

Bücher vonne Ruhr

10-minütiges Interview über die Ruhrbesetzung 1923
und die kleinen Leute in seinem Buch (dort ein wenig nach unten scrollen):

Werner Boschmann im Deutschlandfunk Nova über Erinnerungen an den Ruhrkampf


Das ist mir wichtig: wenn ich hier hin und wieder ein Buch beschreibe, das mir gefällt, so geschieht dieses stes ohne wirtschaftliches Interesse meinerseits, frei jeglicher Beeinflussung meiner Meinung und grundsätzlich ohne Gegenleistung, ausser vielleicht, dass die Freude der Autoren/ der Autorin/nen darüber mein ach so altes Herz erfreut.
Dat isso! 🙂
Lothar Lange

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6 Antworten zu Ruhrbesetzung 1923 – Geschichte mit Geschichten „vonne Ruhr“.

  1. https://www.deutsche-revolution.de/brennende-ruhr
    weiß aber nichts mehr von.
    Mal gucken….
    aha: Tribüne. Verlag und Druckereien des FDGB war ein Verlag in Berlin von 1945 bis 1990/91. Und: Archivbestände befinden sich im Bundesarchiv und im Landesarchiv Berlin. Von wegen: und bei mir! Habe ich bestimmt Putin in Leningrad abgekauft, mein Schicksal steht! Kommt alles raus.

    • Lo sagt:

      Ah, der Titel ist mir schon untergekommen. Sollte ich wohl auf meine to-read-liste setzen. Danke dir für den Hinweis.
      Grüße aus der Nachbarschaft!

  2. Ruhrköpfe sagt:

    Danke für den Tipp, klingt sehr spannend. Viele Grüße aus Do, Annette

    • Lo sagt:

      Ist es auch, wenn man die Berichte mit diesen lokalen Bezügen liest, mit Orten, die man kennt. Und auch die Hundert Jahre zwischen damals und heute kommen einem kürzer vor. Mir erging es so. Liebe Grüße nach Dortmund!

  3. Quer sagt:

    Wollte den „Gefällt mir“-Button drücken, geht aber bei mir nicht.
    Deshalb hier: Das gefällt mir.
    Wenn Geschichtliches lebendig und farbig erzählt wird, kann das tatsächlich spannend sein wie ein Kriminalroman und zu einem tieferen Verständnis beitragen.
    Merci für die schöne Buchbesprechung und lieben Gruss,
    Brigitte

  4. Lo sagt:

    Merci vielmal für Deinen lieben Kommentar.
    Liebe Grüße zu Dir!

Schreib mir! :-)