Als die Autos noch freundlich winkten. Damals.

Als ich noch ein kleiner Ruhrgebietsköttel war, gab et noch richtig freundliche Autos. Und schön waren sie: die BMW-Isetta, der VW-Käfer, die Borgward Isabella, der Opel Rekord….
Die Autos meiner Kindheit hatten nicht nur eine hübsche Form, sondern sie winkten auch sehr freundlich, wenn sie um die Ecke bogen.
Da fuhren kleine Ärmchen aus Metall oder Bakelit aus der Seite der Karosserie heraus und zeigten höflich gelb-orange leuchtend an, wohin der Fahrer/die Fahrerin zu rollen gedachte. Wirklich. Winker nannte man sie.
Dat war noch im vorigen Jahrhundert, in den goldenen Tagen des Straßenverkehrs, als Höflichkeit noch serienmäßig war.

Tja, und dann kam der technische Fortschritt: der Blinker. Eine richtig dolle Erfindung! Man musste keinen Arm mehr ausfahren, kein Fenster herunterkurbeln – ein kleiner Klick, und schon blinkte ein gelbet Licht, dat allen zeigte: „Ich habe vor, gleich umme Ecke zu biegen, und ihr dürft dat wissen!“
Doch diese Ära scheint auch vorbei zu sein. Winker gibt et nich mehr, und die neumodischen Blinker sind mittlerweile zu seltenen Erscheinungen geworden.

Guck Dich einfach mal um: et gibt die schönsten Autos, vom knuffigen Stadtflitzer bis zum Drei-Tonnen-SUV mit mehr Elektronik an Bord als ein Passagierflugzeug.
Aber kaum einer von denen blinkt!

Et muss einen Grund dafür geben. Vielleicht sind Blinker einfach zu teuer geworden?
Oder kann et sein, datt Blinker inzwischen zum teuren Sonderzubehör, irgendwo zwischen Sitzheizung und Massagesitz, zählen?
„Blinkerpaket Komfort Plus – ab 1.299 €, nur in Verbindung mit dem Fahrtrichtungs-Upgrade.“ Oder als Abo-Modell:
„Für nur 9,99 € im Monat – Ihr persönlicher Blinkerzugang! Jeder Klick zählt.“
Erster Monat gratis, und dann wird vergessen, dat Probe-Abo zu verlängern

Kann et vielleicht sein
, datt die Autohersteller die Blinker einfach in die Luxusklasse verbannt haben? Schließlich sind die dicken Karren heute mit allem Möglichen ausgestattet: LED-Matrix-Scheinwerfer, 12-fach verstellbare Massage-Sitze, Sprachsteuerung, Kaffeemaschine, ThermoMix für den kleinen Hunger zwischendurch..
Aber wenn et um Blinken geht? Funkstille.

Gibt et sowat wie Blinkscham? Datt Autofahrer vielleicht dat Blinken als Zeichen von Schwäche empfinden? „Warum soll ich anderen verraten, wohin ich fahre? Nachher denken die alle, ich wäre Rechtsabbieger.“ Ein bissken Geheimnis muss bleiben!
Vielleicht haben manche Fahrer/innen aber auch schlicht Angst, der Blinker könnte zu heiß werden, wenn man ihn zu oft benutzt.
Man will ja nich hinterher Schuld sein anner Erd-Erwärmung.

Oder isset dat Gerücht bei Twitter-X, datt die kleine Blinkerbirne nich länger als ein Jahr hält, und datt et Ersatzbirnen nur gegen Bares im dunklen Hinterzimmer zwielichtiger Schrauberwerkstätten gibt?
Kann aber auch sein, datt manche glauben, dat Auto spüre intuitiv, wann man abbiegen will – dank künstlicher Intelligenz, Fahrerassistenz-System und göttlicher Eingebung.

Oder liegt et daran, datt moderne Autos einfach zu beschäftigt sind?  Die müssen sich schließlich um so vielet kümmern: Abstand halten, Spur finden, Notbremsen, Navigieren, sich mit dem Smartphone verbinden, den richtigen Song auswählen. Da bleibt keine Zeit mehr für dat kleine, bescheidene Blinklicht.

Wat willze machen? So rollt der moderne Verkehr dahin – elektrisch lautlos, majestätisch, undurchschaubar. Jeder fährt, wie er will, und alle wissen: Wer blinkt, ist entweder ein Idealist, eine Mimi, oder altmodisch.

Ich für meinen Teil vermisse die Zeiten, als ein kleinet gelbet Licht noch mehr sagte als tausend Worte: „Achtung, ich biege gleich ab. Ich bin höflich. Ich denke an euch.“
Heute ist dat Blinken fast schon ein romantischer Akt – ein Relikt aus einer Ära, in der Kommunikation auffer Straße noch wat galt. Vielleicht sollten wir den höflichen kleinen Winker wieder einführen. Als Retro-Accessoire.

So bleibt uns nur, voller Bewunderung zuzugucken, wie moderne Autos, blinkbefreit, still und geheimnisvoll durch den Verkehr gleiten.
Ein stummet Zeichen der Individualität.
Wer böse Überraschungen liebt, braucht vermutlich keine Kommunikation.

Bis die Tage!
Man blinkt sich!

 

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